1960-1974: ein neues Schulgebäude

Freiburg, Die Naturwissenschaftliche Fakultät, Das alte und das neue Technicum
© Bibliothèque cantonale et universitaire Fribourg. Fonds Pro Fribourg-Bourgarel.

Als Ernest Michel 1944 die Leitung des Technikums übernimmt, ist es sein Ziel, die Schule zu einer renommierten Lehranstalt zu machen. Dazu führt er in einem ersten Schritt – wir haben es bereits erwähnt – das obligatorische Fähigkeitszeugnis (EFZ) für die Aufnahme in die technische Abteilung ein. Auch im zweiten Teil seiner Amtszeit zwischen 1960 und 1974 verfolgt er sein Ziel weiter. In diesen Jahren passt sich das Technikum an die Entwicklungen der Freiburger Gesellschaft an und entwickelt sich weiter.

Wir werfen in diesem Kapitel einen Blick auf einige institutionellen Aspekte wie die Abschaffung oder aber die Einführung gewisser Abteilungen. Dabei stellen wir fest, dass das Technikum in den 1960er-Jahren einen richtiggehenden Wachstumsboom erlebt hat. Angesichts der steigenden Zahl von Studierenden braucht es unbedingt ein neues Schulgebäude: In der Festschrift zum 100-Jahr-Jubiläum wird dies mit einem Bild einer Sardinendose und der Überschrift: «Es braucht dringend neue Räumlichkeiten!» zum Ausdruck gebracht. Das neue Gebäude wird 1975 fertiggestellt. 1964 tritt zudem das neue Bundesgesetz über die Berufsbildung in Kraft, das die Bedeutung von Berufsschulen wie das Technikum anerkennt und den Studierenden den Titel Techniker oder technischer Ingenieur HTL verleiht. Wir werden später darauf zurückkommen.

Institutionelle Entwicklung

Schliessung der Ecole des maîtres et maîtresses de dessin und der Ecole des arts graphiques

In den ersten Zeilen des Jahresberichts 1959-1960 kommt Ernest Michel auf die besondere Bedeutung dieses Jahres zurück:

«Das zu Ende gehende Schuljahr ist im Leben des Technikums ein Meilenstein. In diesem Jahr wurde eine neue technische Schule gegründet, die Ecole du génie civil, während die Ecole normale de maîtres et maîtresses de dessin und die Ecole des arts graphiques ihre Aktivitäten eine Zeit lang einstellten. »

Er führt aus:

«Obwohl es einerseits bedauerlich ist, dass die geringe Zahl der Stellen für Zeichenlehrer die Aufrechterhaltung einer solchen Schule nicht mehr rechtfertigt, ist andererseits festzustellen, dass die Ecole des Arts graphiques, deren Arbeit sich insbesondere am künstlerischen Verständnis des Zeichnens orientiert, von ihren Schülern nur schwerlich den Arbeitsrhythmus verlangen kann, den ein Patron von seinen Untergebenen verlangt. Nur besonders begabte und sehr fleissige Kandidaten können in diesen Branchen reüssieren.»

Der Direktor bleibt optimistisch:

«Eine Zeichenschule mit einem neuen und gut durchdachten Programm wird früher oder später neu geschaffen, denn ihre wertvollen Dienste werden mit Sicherheit wieder gefragt sein.»

In diesem Punkt sollte er sich irren.

Aufnahmebedingungen für die technische Abteilung (HTL-Abteilung) und die Ecole des chefs de chantier

Die Konferenz der Direktoren der kantonalen Technika legt 1968 die Aufnahmebedingungen für die HTL-Abteilung (Höhere Technische Lehranstalt) fest. Der Kandidat muss über:

  • eine technische Maturität oder
  • ein Lehrzeugnis in den Spezialklassen oder
  • ein Zertifikat einer Berufsmittelschule oder
  • ein Fähigkeitszeugnis mit einer Aufnahmeprüfung verfügen.

In der Ecole des chefs de chantier wird von den Studierenden eine einjährige Berufserfahrung auf einer Baustelle verlangt. Begründet wird dieser Entscheid mit der steigenden Zahl von Hoch- und Tiefbauzeichnern an der Schule. Obschon pro Jahr nur rund zwanzig Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen, bewerben sich 1988 35 junge Männer darum, 1967 sind es bereits 62.

Ende der Schreinerwerkstätte und Eröffnung einer Chemieabteilung

Während die Schreinerwerkstätte ein weiteres Jahr geöffnet bleiben soll – sie wird 1968 geschlossen – steht das Labor für Mechanik kurz vor seiner Schliessung.

Obwohl der Gedanke, Chemiker auszubilden, auf die Anfänge der technischen Abteilung zurückgeht, wurde er erst 1974 in die Tat umgesetzt. In den 1970er-Jahren siedeln sich Chemieunternehmen im Kanton an. La Liberté berichtet darüber:

«Der Staatsrat des Kantons Freiburg hat die Eröffnung einer Schule für Chemie im Herbst 1974 genehmigt, die dem kantonalen Technikum angegliedert ist. Die neue Schule wird technische Ingenieure HTL ausbilden, wobei der Aufbau ihres Ausbildungsprogramms vor allem auf die Betriebstechnik ausgerichtet ist.

Diese Ausbildung befähigt den technischen Ingenieur HTL, in seinem Betrieb moderne und angemessene Analysemethoden einzuführen, die heute auf den Prinzipien der physikalischen Chemie beruhen. Er wird damit zu einer Art Spezialist im Analyselabor. Dank eines auf Elektronik und Steuerungstechnik – die mit der chemischen Verfahrenstechnik im Zusammenhang stehen – ausgerichteten Unterrichts wird er in der Lage sein, effizient zur Entwicklung von automatischen Steuerungsanlagen beizutragen.»[1]

Gebäude mit Schildern „Provins Valais“ und „Ciba-Geigy“, rue de l’Industrie 14, Fribourg© Bibliothèque cantonale et universitaire Fribourg. Fonds Mülhauser.

Die Freiburger Industrie braucht HTL-Ingenieure, «die in der Lage sind, Aufgaben zu erfüllen, die zwischen jenen eines Laboranten und jenen eines Hochschulchemikers angesiedelt sind», ist in der Festschrift zum 100-Jahr-Jubiläum zu lesen. Der Direktor schreibt im Jahresbericht 1973-1974:

«Sie [die Ecole de chimie] zielt darauf ab, technische Ingenieure HTL auszubilden, die in einer ersten Phase auf die analytische Arbeit nach den modernsten Verfahren und später auf die Lebensmittelchemie spezialisiert werden. Es handelt sich dabei um interessante Spezialisierungen, für welche die Berufsaussichten in unseren Kanton in hohem Masse gesichert zu sein scheinen.»[2]

Um in die Chemieabteilung aufgenommen zu werden, muss der Studierende ein EFZ als Laborant oder Drogist oder eine Maturität mit einem Praktikumsjahr vorweisen können. Wir werden in Kürze darauf zurückkommen.

Neues Gesetz über die Berufsbildung

Am 24. Mai 1964 stimmt das Schweizer Volk einer Revision des Bundesgesetzes über die Berufsbildung zu. Sie ersetzt die Fassung aus dem Jahr 1930, die angesichts der zunehmenden Beliebtheit der Lehre bei den Jugendlichen veraltet war. Mit dem neuen Gesetz wurden die folgenden Ziele verfolgt: «die Stärkung der beruflichen Grundausbildung und die Förderung einer beruflichen Weiterbildung» [3]. In Artikel 6 wird die Bedeutung der Berufsschulen wie des Technikums hervorgehoben:

«Art. 6: Die berufliche Grundausbildung wird vermittelt:

  1. durch die Berufslehre in einem privaten oder öffentlichen Betrieb mit gleichzeitigem Besuch der Berufsschule;
  2. durch die Berufslehre in einer Lehrwerkstätte oder in einer Schule für Gestaltung, die neben der praktischen Ausbildung auch den beruflichen Unterricht vermittelt;
  3. durch den Besuch einer öffentlichen oder privaten gemeinnützigen Handelsmittelschule, die vom Bund anerkannte Abschlussprüfungen durchführt.»

Der praktische Teil, der das Erlangen eines EFZ am Technikum ermöglicht, ist in Absatz b dieses Artikels verankert. Artikel 45 verweist auf die Rolle des praktischen Teils für die Ausbildung der Ingenieure.

«Art. 45:

Der Bund fördert die Ausbildung an Höheren Technischen Lehranstalten, die ihren Studierenden durch einen wissenschaftlichen Unterricht und gegebenenfalls Konstruktions- und Laborübungen die theoretischen und praktischen Kenntnisse vermitteln, die zur ordnungsgemässen Ausübung höherer technischer Berufe, die keine Hochschulausbildung erfordern, notwendig sind.»

In diesem Artikel wird die Rolle der technischen Abteilung präzisiert: die Ausbildung von Ingenieuren, deren Arbeit wissenschaftlicher ist als die von Technikern, deren Beruf jedoch keine Hochschulausbildung erfordert. Artikel 46 legt den Titel der jungen Absolventen der technischen Abteilung fest: Ingenieur HTL.

«Art. 46:

Wer die Abschlussprüfung an einer vom Bund anerkannten Höheren Technischen Lehranstalt in den Fachrichtungen Bauingenieurwesen, Maschinenbau, Elektrizität, Uhrmacherei, Heizung, Lüftung, Klimatisierung und Chemie oder in der Fachrichtung Architektur bestanden hat, darf die Bezeichnung „technischer Ingenieur HTL“ oder „technischer Architekt HTL“ öffentlich führen.»

Der Bau eines neuen Gebäudes wird in die Wege geleitet

Neubau 1974, Bild aus dem Jahresbericht 1974-1975

In den 1960-1970er-Jahren verzeichnet das Technikum ein starkes Wachstum seiner Schülerzahlen. In der technischen Abteilung ist die Zahl der Schüler so gross, dass mehrere Klassen halbiert werden müssen, u.a. im Maschinenbau und der Elektrotechnik. Auch die Lehrlingsabteilung ist von diesem Wachstum nicht ausgenommen. 1961 sind es 183 Lehrlinge, 1962 196. 1966 wird der Höhepunkt mit beinahe 700 Schülern im Technikum erreicht. Um alle diese Schüler aufnehmen zu können, muss die Schule erweitert werden, auf Kosten der Schreinerwerkstätte, die 1968 geschlossen wird.

Das Problem der beengten Raumverhältnisse ist nicht neu in der Geschichte des Technikums. Im Jahresbericht 1961-1962 versucht Direktor Michel, eine Lösung dafür zu finden:

«Strengere Anforderungen für die Zulassung neuer Schüler könnten die Schülerzahlen etwas begrenzen, dadurch wird das Platzproblem jedoch nur vorübergehend gelöst. In den nächsten Jahren muss eine umfassendere Lösung gefunden werden, denn im Zuge der industriellen Entwicklung in unserem Kanton braucht es vermehrt qualifiziertes technisches Personal, insbesondere Führungskräfte».

Drei Jahre später hat sich nichts geändert: «Es fehlt an Räumlichkeiten […]».

1967 wird eine Vergrösserung der Schule unumgänglich. Die Aufsichtskommission des Technikums beauftragt eine Gruppe von drei Architekten, alle drei Professoren der Schule (Emilio Antognini, Hans Bachmann und Roger Anthonioz), mit der Studie des «Baus eines Gebäudes, das hauptsächlich für die Ecole technique supérieure bestimmt ist, sowie eines zweiten Gebäudes, in dem die Werkstätte für Funktechnik und Elektronik sowie eine Sporthalle untergebracht wird.»[4]

Die Kommission sieht einen Bau vor, der in zwei Phasen realisiert wird: In der ersten Phase soll ein Gebäude speziell für die HTL und die Ecole des chefs de chantier errichtet werden. Es umfasst Unterrichtsräume, Hörsäle für Physik, Chemie und Elektrotechnik, Labore für Technik und Elektronik, Elektro- und Hochspannungsmaschinen und Verwaltungsbüros.

Das zweite Gebäude beherbergt die Werkstätte für Funktechnik, Unterrichtsräume und Zeichensäle für die Lehrlinge, einen Ausstellungssaal, eine Bibliothek sowie ein Labor für Hydraulik und Schutzräume.

Umsetzung des Projekts

Am 19. Mai 1970 bewilligt der Freiburger Grosse Rat einen Kredit über 15,3 Millionen Franken für den Bau eines neuen Gebäudes für das Technikum. Darin sollen 700 auf 34 Klassen aufgeteilte Schüler Platz finden.

Die erste Bauphase beginnt 1970, die zweite unmittelbar darauf. Das Gebäude umfasst vier Stockwerke. Im Jahresbericht 1969-1970 wird es von Direktor Michel beschrieben:

«Die Unterrichtsräume und Hörsäle befinden sich auf beiden Seiten eines zentralen Korridors, der durch das gesamte Gebäude verläuft und an seinen beiden Enden sowie bei den beiden Treppenhäusern in der Mitte des Gebäudes beleuchtet ist.

Die Unterrichtsräume, die für die verschiedenen Unterrichtsarten, Theorie und Bauzeichnen, angelegt sind, haben eine Nutzfläche von 60 m2 bis 120m2. Anstelle der jetzigen 24 wird es insgesamt 46 Unterrichtsräume und Hörsäle geben, hinzu kommen Labore, die Verwaltung und der Hausmeisterdienst, ein Lesesaal mit Bibliothek, ein grosser Ausstellungsraum und eine Cafeteria.»

Ende April 1972 werden die im Rahmen der ersten Bauphase fertiggestellten Räume bezogen. Sie umfassen 19 Unterrichtsräume, 3 Hörsäle, 5 Labore und Verwaltungsräume.

Dank dieser Erweiterung des Technikums können fortan die Wahlfächer Starkstrom und Schwachstrom angeboten werden. Im neuen Gebäude werden fortan auch Mechanikerlehrlinge ausgebildet. Aber das ist erste der Anfang. Im folgenden Kapitel werden wir die wichtigsten Etappen dieses Baus vor Augen führen und seine Auswirkungen auf die Entwicklung des Technikums analysieren.

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[1] La Liberté, 9. Mai 1974, S. 21.

[2] Jahresbericht 1973-74, S. 5.

[3] Introduction aux problématiques de la formation professionnelle, Gindroz, S. 36.

[4] Millason, S. 103