DIE HTA-FR IN ZEITEN DES CORONAVIRUS

Am 13. März 2020 ordnete der Bundesrat die sofortige Schliessung der Schulen an. Für die HTA-FR begann damit das Abenteuer des Fernunterrichts. « Die Studierenden und Lehrkräfte erhielten vom Rektorat der HES-SO eine Woche Zeit, um die virtuellen Arbeitsräume vorzubereiten und sich mit der Bedienung der Geräte und den neuen Tools vertraut zu machen. Die Dozierenden mussten in dieser Zeit zudem auch überlegen, wie der Unterricht anzupassen ist », erklärt Marc-Adrien Schnetzer, stellvertretender Direktor und akademischer Leiter der HTA-FR.

MOBILISIERUNG UND GROSSEINSATZ

Gleich nach Bekanntgabe des bundesrätlichen Entscheids wurden mehrere Arbeitsgruppen gebildet, um geeignete Formen und Methoden zur Durchführung des Fernunterrichts festzulegen. Als Hilfestellung wurde für die Lehrkräfte eine Dokumentation erstellt. Die Mitarbeitenden des Informatikdienstes waren auf den Notfallmodus umgestiegen: « Sie haben sofort die notwendigen Massnahmen getroffen, um sicherzustellen, dass die Tools auch standhalten, wenn Hunderte von Menschen gleichzeitig fast acht Stunden am Tag online sind », so MarcAdrien Schnetzer. « Sie haben auch verschiedene Tutorials zur Nutzung der IT-Tools entwickelt. Es mussten innert kürzester Zeit neue und gewaltige Aufgaben bewältigt werden.» Glücklicherweise haben sich alle sehr engagiert; schnell wurde gegenseitige Hilfestellung organisiert, sowohl auf institutioneller Ebene als auch innerhalb kleinerer Einheiten. Und am 23. März 2020 konnte der Online-Unterricht beginnen. Alle Kurse fanden im Fernunterricht statt; die Schule blieb bis zum 8. Juni geschlossen. Einige Laborkurse wurden an den Fernunterricht angepasst, andere wurden ab dem 8. Juni im Präsenzunterricht nachgeholt. Danach konnten die Studierenden während fünf Wochen, also bis zum 10. Juli, wieder an die Schule kommen, um Tests und Prüfungen abzulegen und Laborkurse nachzuholen. Die Hochschule musste in manchen Fällen inhaltliche Prioritäten setzen, da die Zeit nicht ausreichte, alles nachzuholen. Die Hygiene- und Schutzmassnahmen wurden strikt eingehalten. Nach den Sommerferien wurde vom 16. August bis zum 3. September eine ausserordentliche Nachprüfungssession durchgeführt. Während der gesamten Dauer des Fernunterrichts wurde ein regelmässiger Kontakt zu den Studierenden aufrechterhalten. Hatte die Situation einen Einfluss auf die Anzahl Misserfolge? « Durch die verschiedenen Massnahmen zur Berücksichtigung der besonderen Studiensituation konnte ein signifikanter Anstieg der Durchfallquote vermieden werden », analysiert Marc-Adrien Schnetzer. « Der Online-Unterricht ermöglichte es den Studierenden, ihr Studium – so gut es ging – fortzusetzen. Der Fernunterricht war jedoch auch ein Faktor für Stress und allgemeine Müdigkeit. Durch diesen Unterrichtsmodus wurden zudem die Ungleichheiten verstärkt.» Für einige war der Verlust des für die Studienfinanzierung notwendigen Nebenjobs das grösste Problem. Zu ihrer Unterstützung wurde von der HES-SO ein Hilfsfonds eingerichtet.

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EIN EXPERIMENT IN ECHTZEIT

Am 14. September begann das neue Studienjahr. Gemäss Bundesratsverordnung konnte der Unterricht nun wieder vor Ort stattfinden. Um zu gewährleisten, dass die Räumlichkeiten unter strikter Einhaltung der geltenden Hygiene- und Schutzmassnahmen und je nach Anzahl Personen im Modus « mit Maske » oder « ohne Maske » genutzt werden, wurden an den Arbeitsplätzen Aufkleber mit entsprechenden Hinweisen angebracht. Einige Kurse wurden in komodaler Form durchgeführt: Die Mehrheit der Studierenden war vor Ort, während die anderen online dabei waren und Zugang zu Ton und Bild – etwa zum Bildschirm der Lehrperson oder zu einem per Kamera übertragenen Wandtafelbild – hatten. So lief der Unterricht während fünf Wochen, bis zu den Herbstferien. Seit dem 26. Oktober findet der gesamte Unterricht wieder online statt, mit Ausnahme der Laborkurse, der praktischen Arbeiten, der Werkstattarbeit sowie der Tests, die unter strikter Einhaltung des Schutzkonzepts vor Ort durchgeführt werden können.

« Das Positive an dieser Erfahrung ist, dass wir uns noch nie so viele Gedanken über Lehr- und Lernansätze, die Bedeutung der zu vermittelnden Kompetenzen und die Lernziele sowie über deren Beziehung zu den Lehr- und Beurteilungsmethoden gemacht haben », sagt Marc-Adrien Schnetzer. « Da die Dozierenden sehr rasch handeln mussten, gab es jedoch kaum Zeit, die Lehrmethoden zu überarbeiten und an den Fernunterricht anzupassen. Dennoch ist anzuerkennen, dass ein enormer Arbeitsaufwand geleistet wurde. Auch die Studierenden zeigten eine hohe Resilienz. Ihre Bemühungen, unter manchmal schwierigen Bedingungen weiter zu studieren, sind lobenswert. Es ist sehr ermüdend, sich den ganzen Tag auf den Bildschirm zu konzentrieren. Wir werden nun sehen, was von diesem Experiment in Echtzeit übrig bleibt. Einiges davon können wir sicher mitnehmen. Diese Erfahrung rief zwar bei den Studierenden und Lehrkräften eine gewisse Resignation hervor; dank ihr traten jedoch vor allem auch die Vorteile des klassischen Präsenzunterrichts zutage. Gemäss den von der Hochschule durchgeführten Umfragen, die sich auf die ersten Wochen des Fernunterrichts bezogen, halten es die Dozierenden für wichtig, physisch vor den Studierenden zu stehen, da sie sich dank der nonverbalen Kommunikation ein Bild davon machen können, wie es mit dem Verständnisgrad der Studierenden steht. Die Studentinnen und Studenten haben darunter gelitten, dass sie so viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen mussten. Zweiundsiebzig Prozent der Befragten waren ausserdem der Meinung, dass der Fernunterricht mehr Vorbereitungszeit erfordert als der Präsenzunterricht. Das grösste Problem war jedoch der fehlende Kontakt. «Nicht mehr bei einem Kaffee in der Pause oder beim Mittagessen mit den Kollegen diskutieren und keine Blicke austauschen zu können, wenn man etwas nicht verstanden hat – das ist wirklich schwierig », so Marc-Adrien Schnetzer. Es ist schwierig, eine definitive Bilanz zu ziehen, aber es scheint, dass die Studierenden dank der Notmassnahmen im Allgemeinen weiter Fortschritte machen können und die Lehrkräfte in der Lage sind, Fernunterricht anzubieten. « Es wäre jedoch falsch zu behaupten, dass die Form des Fernunterrichts, die wir notfallmässig eingeführt haben, nicht verbesserungswürdig sei », bemerkt Marc-Adrien Schnetzer. « Es sind noch grosse Anstrengungen erforderlich, um einen Unterricht anbieten zu können, der anregend und lernfördernd ist und den Anforderungen des Fernunterrichts angepasst ist.»

UMFRAGE UNTER STUDIERENDEN

Die Studierenden konnten sich zwischen Ende April und Anfang Mai 2020, also nach einem Monat Erfahrung, dazu äussern, wie sie den Fernunterricht erlebt hatten. An der Umfrage haben insgesamt 54% der Studierenden teilgenommen, wovon 75% die Qualität des Fernunterrichts als eher gut bis sehr gut bewerteten. 92% waren der Meinung, dass ihnen genügend Hilfsmittel zur Verfügung standen. Auch die Hilfestellungen zu den Tools, die Online-Kurse sowie die Online-Kursmaterialien wurden insgesamt positiv bewertet. Es ist jedoch auch zu erwähnen, dass 33% der Befragten angaben, finanzielle Probleme zu haben, was natürlich weder für das Studium noch für das Wohlbefinden gut ist, und 7% gaben sogar an, knapp oder gar nicht mehr über die Runden zu kommen. Ausgehend von den Umfrageergebnissen konnte die Direktion Empfehlungen für die Fortführung des Online-Unterrichts formulieren.

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Welche Lehren können wir aus dem Fernunterricht ziehen?

2020 – Was für ein Jahr! Ein Virus aus Asien (SARS-CoV-2) hat den Unterricht im Frühjahrssemester ab Mitte März durcheinandergebracht. Den Freitag 13. März werden wir nicht vergessen: Am Nachmittag verkündete der Bundesrat die Schliessung aller Hochschulen für den folgenden Montag und schickte die Studierenden und das Lehrpersonal in einen Fernunterricht, der erst noch definiert werden musste. Die HES-SO war sich bewusst, dass dies ein Schock war und gab den Hochschulen eine Woche Zeit, sich auf die neue Situation vorzubereiten und die notwendigen Hilfsmittel und Informatiktools auszuwählen und bereitzustellen. Ziel war, den Unterricht in den Lehrsälen und Labors bestmöglich durch Fernunterricht zu ersetzen. Noch nie hat unsere Hochschule einen derartigen Paradigmenwechsel in nur wenigen Tagen durchgemacht. Die ganze Organisation des Semesters wird umgekrempelt. Die Grundlagen der Lehre werden in Frage gestellt: Wie kann man den Kontakt aufrechterhalten? Wie kann man virtuell die Reaktionen der Studierenden auf ein neues Thema erkennen? Wie spürt man die Atmosphäre in der Klasse? Noch nie haben die Pädagogik und Didaktik so viele Debatten und Online-Diskussionen unter Kolleginnen und Kollegen ausgelöst. Ratschläge werden geteilt, und bewährte Praxistipps werden auf verschiedenen Ebenen ausgetauscht. Die Anpassung an die neue Situation spielt sich langsam ein und die Lernprozesse werden neu organisiert. Dabei geht es vor allem darum, die Motivation der Studierenden aufrechtzuerhalten. Es ist lobenswert, welches Verständnis die Studierenden in dieser Umbruchphase den Lehrpersonen entgegengebracht haben. Was wird von dieser aussergewöhnlichen Situation bleiben? Manche sagen, dass der Unterricht an einer Hochschule wie der unseren nie mehr derselbe sein wird, dass das Fernstudium einen riesigen Schritt vorwärts gemacht hat: Ist das nun eine erzwungene Kapitulation vor dem Druck der Tech-Giganten? Das bezweifle ich. Diese schwierigen Zeiten haben uns dazu gezwungen, nach neuen Methoden für den Wissenstransfer und für Lernprozesse zu suchen. Es sollte jedoch zwischen Lehre und Unterrichtstechniken unterschieden werden. Die Qualität einer Methode zeigt sich wohl vor allem darin, was die Studierenden von einem Kurs oder einer Aktivität mitnehmen und was sie mit dem Gelernten anfangen können. Deshalb kann man nicht jetzt schon den Grad der pädagogischen Kontinuität messen, der diesen Wandel gekennzeichnet hat. Andererseits erkennen wir schnell, was nicht funktioniert und was vergessen werden kann. Zurück zur Frage: Was wird von dieser Erfahrung bleiben? Wir müssen auf allen Ebenen Bilanz ziehen, das Beste davon behalten, teilen und kommunizieren. Es hat sich gezeigt, dass Lernprozesse durch das Vorhandensein sozialer Bindungen entstehen, die wiederum stärker wirken, wenn Lernende und ihre Mentoren in physischem Kontakt zueinander stehen. Diese Austausche im Klassenraum oder im Atelier, die als kontextuelles Gedächtnis fungieren, ermöglichen auch ungeplante Kontakte. Diese Anwesenheit reicht jedoch nicht aus, um die Qualität der Vermittlung zu gewährleisten, ebenso wie Distanz das Lernen nicht verhindert: Das sagen uns die Studierenden und so steht es in der einschlägigen erziehungswissenschaftlichen Literatur. Dies ist ein Zeichen dafür, wie wichtig die ständige pädagogische Reflexion und die Entwicklung von Know-how ist, dank derer wir Fortschritte machen können. Kurzum, es ist eigentlich nicht erstaunlich, dass eine Ingenieurschule pädagogische Innovationen fördert; das ist ein Zeichen von Vitalität für eine Ausbildungsinstitution.

Dr. Marc-Adrien Schnetzer Vizedirektor, Direktion Lehre


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Ein bemerkenswertes engagement für den Schtutz der Bürgerinnen ung Bürger

Im Auftrag des Kantonalen Führungsorgans (KFO) hat das Institut ChemTech der HTA-FR von März bis Juni 2020 hydroalkoholische Lösung hergestellt, um einem möglichen Engpass entgegenzuwirken. Dieser ausserordentliche Einsatz wurde von Professor Ludovic Gremaud geleitet. Ludovic Gremaud verfügt über Erfahrung in der Pharmaindustrie. Der ehemalige Leiter einer F&EGruppe im Bereich Prozesse nahm die Dinge sehr schnell in die Hand. „Sobald wir über den Auftrag informiert wurden, beantragten wir bei der Kantonsapothekerin eine Ausnahmebewilligung. Diese wurde angesichts der an der Schule verfügbaren Infrastrukturen schnell gewährt.“ Tatsächlich ist die HTA-FR die einzige Fachhochschule in der Schweiz, die über Infrastrukturen für die Herstellung von chemischen Produkten wie hydroalkoholischen Lösungen verfügt. In nur wenigen Wochen haben Ludovic Gremaud und die etwa 30 Mitarbeitenden rund 3‘000 Liter Desinfektionslösung hergestellt und abgefüllt. „Es war eine echte logistische Herausforderung. Da waren einerseits die Bestellungen des KFO und andererseits die Marktbedingungen bezüglich Angebot und Lieferzeiten. Aufgrund der steigenden Nachfrage wurde es immer schwieriger, die nötigen Rohstoffe und Verpackungsmaterialien zu beschaffen.“ Angesichts der anhaltenden Pandemie schlug das KFO vor, die Produktion durch eine Zusammenarbeit zwischen der HTA-FR und UCB Farchim in Bulle zu beschleunigen. So wurde die hydroalkoholische Lösung nun in den Produktionsstätten von UCB Farchim hergestellt und anschliessend in grossen Containern zur Schule transportiert, wo sie in kleine Behälter abgefüllt wurde. Insgesamt wurden fast 100 000 Liter Desinfektionslösung hergestellt und gemäss Bedarf des Kantons in Behälter von 100 ml bis 20 Liter abgefüllt. Rückblickend hält Ludovic Gremaud vor allem fest, dass dank dieser Erfahrung neue Beziehungen geknüpft werden konnten. „Normalerweise haben wir ausser im Rahmen des Unterrichts und von Forschungsprojekten nicht wirklich Zeit, die Menschen um uns herum kennenzulernen. Während diesen vier Monaten arbeiteten rund 30 Leute mit unterschiedlichem Hintergrund am selben Projekt: wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts ChemTech, Lernende sowie administrative Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es war toll, mit neuen Gesichtern zusammenzuarbeiten.“

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